Grünzeug: Wie bist du eigentlich zum Europäischen Parlament gekommen?  

Terry Reintke: Ich bin in Gelsenkirchen geboren und habe als Kind und Jugendliche im Ruhrgebiet erlebt, was Strukturwandel für die Menschen und ihre Region bedeutet. Im Studium habe ich mein Erasmussemester in Edinburgh gemacht, war auch Sprecherin der Federation of Young European Greens, der Europäischen Grünen Jugend. Für das Friedensprojekt Europa und das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenwachsen dieses wunderbaren Kontinents bin ich dankbar und ich will dieses Europa gestalten. 2014 bin ich zum ersten Mal in das Europäische Parlament gewählt worden, seit 2022 führe ich die Fraktion der Grünen gemeinsam mit meinem belgischen Kollegen Philippe Lamberts. In der kommenden Legislatur wollen wir so viel erreichen wie in den vergangenen fünf Jahren – und noch mehr. Dafür kämpfen wir.  

Grünzeug: Was treibt dich an als Spitzenkandidatin für diese Europawahl 2024, welches sind aktuell aus deiner Sicht die wichtigsten Herausforderungen?  

Terry Reintke: Wir wollen ein Europa, das mit einer klimaneutralen Wirtschaft in die Zukunft geht und so Frieden sichert und Wohlstand für alle schafft. Ich kämpfe für ein diverses Europa, das fest auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie baut und die Sorgen der Menschen in den Mittelpunkt rückt. Wir haben in dieser Legislaturperiode viel erreicht: den europäischen Mindestlohn, eine ehrgeizige Lohntransparenz-Richtlinie gegen den Gender Pay Gap und Regeln gegen Scheinselbständigkeit bei Mitarbeitenden großer Online-Plattformen. Darauf wollen wir aufbauen, um die Transformation mit voller Kraft sozial gerecht zu gestalten.  

Grünzeug: Rechtsextremisten bedrohen unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, auch auf Europaebene ist der Rechtsruck spürbar. Gleichzeitig wächst unsere Partei und es gibt auch viel Zuspruch. Wie können wir das im Europawahlkampf nutzen?  

Terry Reintke: Indem wir uns unterhaken und gemeinsam gegen Rechts aufstehen. Wir wollen Teil einer starken demokratischen progressiven pro-europäischen Mehrheit im EU-Parlament sein, die einen Rechtsruck und damit einen Rückschritt bei der EU-Gesetzgebung verhindert. Die vielen Menschen, die in den vergangenen Monaten gegen die menschenverachtenden und rassistischen Deportationsfantasien der rechtsextremen AfD auf die Straße gegangen sind, zeigen: Gemeinsam sind wir mehr. Wir lassen Unterwanderung durch Rechtsextreme nicht zu. Nicht im Fußballverein, nicht in der Kneipe, nicht im Stadtrat und nicht in der EU.  

Grünzeug: Eine klare Mehrheit, rund siebzig Prozent, der Menschen in Deutschland und auch in den anderen EU-Ländern sieht laut einer Eurobarometer-Umfrage von Ende des letzten Jahres die Mitgliedschaft in der EU positiv. Wie können wir diese Zustimmung nutzen, damit möglichst viele Menschen am 9. Juni zur Wahl gehen und ihr Kreuz bei uns GRÜNEN machen?  

Terry Reintke: Die EU ist der Rahmen, in dem wir Zukunftsentscheidungen treffen, die dann auch Gewicht in der Welt haben. Nur wer wählen geht, verhindert aktiv, dass Demokratieverachter und Nationalisten ins Parlament einziehen. Eine rechte Mehrheit würde alles zurückdrehen: Minderheiten- und Frauenrechte, die europäische Integration bei den wichtigen Zukunftsthemen. Dafür müssen wir die Sorgen der Menschen in den Blick nehmen und ihnen zuhören – ihre Hoffnungen, ihre Zweifel, ihre Ideen. Gemeinsam mit ihnen und mit euch möchte ich Europa bauen.  

Grünzeug: Dabei viel Erfolg! Danke für das Interview.